„Wie sieht die Schule der Zukunft aus?“, fragte Michael Busch seine Klasse in den Projekttagen. Um diese Frage zu beantworten hat er einen Workshop nach der Design Thinking Methode gemacht. Wie Design Thinking helfen kann, Schule neu zu entdecken und was für ein Spaß das war, erzählt uns Michael Busch in diesem Interview.
Was ist überhaupt Design-Thinking?
Design-Thinking ist eine an der Universität Standford (USA) entwickelte Innovationsmethodik. Das Ziel: schneller zu innovativen Ergebnissen zu kommen, die von den Standard-Lösungen abweichen. Es wird in interdisziplinären Teams gearbeitet, die Schritte sind iterativ, ein Verständnis für das Problem ist zentral, Offenheit und die Bereitschaft, im Team gemeinsam die wildesten Ideen zuzulassen und zu erforschen sind Voraussetzungen.
Arbeitsschritte
- Verstehen: Kern der Probleme erforschen
- Beobachten: Fokus auf (zukünftigen) Nutzungskontext
- Ideen finden: Möglichst viele verschiedene Ideen generieren und evaluieren.
- Sichtweise definieren: Die Ergebnisse aus den Untersuchungen und der Ideenfindung werden ausgewertet.
- Prototypen bauen: schnelle Visualisierung der Ideen
- Testen: Die Prototypen werden rasch getestet
Mehr zu den Schritte und Regeln des Design-Thinking: Design-Thinking-Kompakt
Interview mit Michael Busch
Frage: Michael, kannst du uns bitte erklären, wo du die Verbindung zwischen Design-Thinking und der Schule siehst?
Reines Faktenwissen auswendig zu lernen wird immer unwichtiger, da es überall und jederzeit abrufbar ist. Schulunterricht sollte deshalb auch nicht primär auf die Vermittlung von statischem Wissen abzielen, sondern die SchülerInnen befähigen zunehmend komplexe Herausforderungen zu meistern. Dazu benötigt es kreative Herangehensweisen: das ungewöhnliche Verbinden von bereits Vorhandenem, das Ausprobieren von neuen, bisher nicht beschrittenen Wegen. Hier kommt Design Thinking ins Spiel. Diese Innovationsmethode erlaubt SchülerInnen ihre Kreativität zu entfalten, ohne gleich mit Restriktionen konfrontiert zu werden. Gleichwohl gibt es eine klare Struktur; die Arbeitsphasen bauen aufeinander auf und sind zielorientiert – ähnlich dem Wesen einer Unterrichtssequenz. Zudem spielt die Gruppenarbeit sowohl im Design Thinking, als auch im Schulunterricht eine wichtige Rolle. Komplexe Probleme löst man am besten im Team.
Hinzu kommt, dass Design Thinking eine Innovationsmethode ist; man entwickelt etwas Neues, Bezugspunkt ist aber bereits Vorhandenes. Mit dem Lernen ist es ähnlich: etwas zu lernen bedeutet, sein eigenes Denk- und/oder Handlungsystem (teilweise) zu innovieren. Design Thinking scheint also in gewisser Weise den Lernprozess zu imitieren.
F: Erzähl mal etwas über die Rahmenbedingungen: Wie alt sind die Kinder, welches Thema hattet ihr, wie lange habt ihr daran gearbeitet?
Die Kinder sind in der 5. Klasse, d.h. sie sind zehn bis elf Jahre alt. Das Thema war „Schule von morgen“. Alles war erlaubt; je verrückter, desto besser. So entstanden beeindruckende Ergebnisse. Insgesamt ging der Workshop zweieinhalb Tage.
F: Gab es einen Moment, bei dem du dachtest: doch keine gute Idee?
Nein
F: Wie habt ihr die Gruppen aufgeteilt – wie hat sich die Dynamik in der Klasse und in den Gruppen entwickelt?
Mit dem Zufallsgenerator unserer Smartboard-Software. Schüler haben im Team gearbeitet, auch wenn sie nicht befreundet waren. Die Gruppe ist insgesamt zusammengewachsen. Die Schüler haben das erste Mal vor der gesamten Klasse präsentiert. Es gab Frustrationserfahrungen, die überwunden werden mussten, und Erfolgserlebnisse, die das Selbstvertrauen gestärkt haben.
F: Was war das Besondere für die Kinder?
Wahrscheinlich das Bauen der Prototypen. Aber natürlich auch die besondere Situation, dass ein Designer in die Schule kommt und mit den Schülern arbeitet.
F: Design-Thinking hat meist einen offenen Ausgang – ist dies mit Schule kompatibel?
Selbstverständlich. Schule neu denken heißt auch, Vielfalt zu fördern. Man tut als Pädagoge gut daran, die Individualität der Kinder und Jugendlichen, welche sich eben auch in den Arbeitsergebnissen widerspiegelt, zuzulassen.
F: Ist Design-Thinking nur etwas für Projekt-Tage, oder würdest du es auch als Unterrichtsmethode anwenden?
Man kann Elemente der Methode wunderbar in den Unterricht integrieren. Ich würde behaupten, dass sogar (fast) alle Fächer davon profitieren können.
Was hast du aus dem Projekt gelernt?
Viel. Vor allem etwas über Gruppenprozesse, den Mehrwert der kooperativen Arbeitsphasen sowie den Wechsel von kreativen und reflexiven Aufgaben und dessen Bedeutung für das Lernen. Aber auch, dass solch ein Projekt nur gelingen kann, wenn es – wie in unserem Fall – seitens der Schule organisatorisch und finanziell unterstützt wird.
F: Wie bist du auf die Idee gekommen, in deiner Klasse mit DT zu arbeiten?
Die Idee entstand zusammen mit einem Freund, dem Service Designer Manuel Großmann. Wir organisieren zusammen ein Symposium zum Thema „digitale Bildung“, welches Ende Januar in Berlin stattfindet. Uns ging es darum, vor dem Event die Perspektive der „Zielgruppe“, also die Sichtweise der Kinder, kennenzulernen. Wir wollten in einer Projektwoche an meiner Schule herausfinden, wie sich die Kinder die „Schule von morgen“ vorstellen. Die Idee der Design Thinking Methode kam dann von Manuel.
F: Das wichtigste zum Schluss: Wie wird nun die Schule der Zukunft aussehen? Zu welchen Erkenntnissen sind dann die Kinder gekommen? Was hat dich überrascht?
Die Ergebnisse der Kinder zeigen, dass es ein Bedürfnis nach Technologie im Unterricht gibt. Viele der Erfindungen sind im Prinzip smarte Geräte, die das Lernen entweder erleichtern oder den Spaß am Lernen fördern.
Ich persönlich stelle mir die Schule der Zukunft als einen kreativen Lernort vor, den alle Beteiligten gerne besuchen und der sich von einigen althergebrachten Routinen verabschiedet. Auf dem Weg dahin müssen grundlegende Fragen diskutiert werden: z.B. Warum sollen Schüler in altersgleiche Kohorten gruppiert werden? Sind zeitlich festgelegte Unterrichtsblöcke für die SchülerInnen lernförderlich? Welchen Sinn haben Noten? Nehmen wir die konstruktivistische Lernauffassung ernst? Wenn ja, welche Konsequenzen hat das für den Unterricht? Was benötigt Schule, damit Inklusion gelingen kann? Wie kann sich Schule noch mehr nach außen öffnen? Sollen beim Lernen mit und über Medien die potentiellen Gefahren im Vordergrund stehen oder doch eher die Möglichkeiten? Müssen Lehrer ihre Zeit mit administrativen und bürokratischen Aufgaben verbringen oder kann man diese auslagern? Wie muss sich das Lehrerbild in der Gesellschaft ändern, damit wir die besten Absolventen für diesen Beruf gewinnen können. Und so weiter.
Überrascht hat mich vor allem der Eifer und die Motivation der Kinder. Pausenzeiten waren eher störende Elemente im Lern- und Arbeitsprozess.
Fazit
Die Diskussion über Kompetenzen und Fähigkeiten, die Kinder im 21. Jahrhundert brauchen, hat Design-Thinking ins Klassenzimmer gebracht. Teamarbeit, kreatives Denken und Innovation stehen im Mittelpunkt des Lernprozesses; wilde Ideen zu entwickeln und verrückte Gedanken laut auszusprechen macht Kindern besonders Spaß. Design Thinking passt in die Schule!
Das Interview mit Michael Busch führte Zwetana Penova von lernox.
Zwetana doziert Design Thinking an der Hochschule für Technik und Wirtschaft – HTW Berlin und wendet Design Thinking bei der Entwicklung von lernox an.
Michael Busch ist Lehrer und Medienbeauftragter an der Stadtteilschule Am Heidberg in Hamburg und Initiator des Symposiums Richtungsweiser Bildung
Blog Smartclassroomlearning
Twitter @EdTech_Germany
Links
Eine Sammlung von Links, die Design-Thinking-Werkzeuge für die Schule erklären sowie einige Anwendungsbeispiele zeigen.
- idesignthinking.com E-Design Modell für Pädagogen, entwickelt und erklärt von Dr. Charles Burnette
- designthinkingforeducators.com Toolkit für Pädagogen – von der legendären Innovationsagentur IDEO und Standfort University
- frog-collective-action-toolkit Dieses Action-Toolkit von Frog-Design wurde mit dem Ziel entwickelt, NGOs zu unterstützen, wird jedoch auch im Bildungsbereich angewendet
- www.fastcodesign.com Ein Artikel, der den Einsatz des Action-Toolkits in der Schule beschreibt
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